Seit einigen Jahren ist als Trend zu beobachten, was noch bis vor kurzem ein Ausnahmephänomen zu sein schien: Kulturinstitutionen machen gemeinsame Sache mit der professionellen Kritik. Durch Angebote an junge Journalisten, sich im Rahmen von Akademien, Festival-Blogs oder Schreibwerkstätten zu beweisen, übernehmen Theaterhäuser und Festspiele damit zunehmend eine Förderfunktion, die früher nahezu ausschließlich von den Redaktionen selbst getragen wurde. Dabei ist der Wunsch auf Seiten der Häuser zumeist klar formuliert: Nicht PR im Kostüm des Journalismus wird verlangt, sondern echte, unabhängige Kritik. Doch was versprechen sich die Institutionen von dieser risikoreichen Allianz? Wie steht es um das Selbstverständnis der Journalisten, wenn sie sich ihre Arbeit von denjenigen bezahlen lassen, über die sie eigentlich frei und unbefangen berichten sollen? Ist diese ambivalente Zusammenarbeit möglicherweise Symptom einer umfassenderen Legitimationskrise? Am Beispiel des Berliner Theatertreffen-Blogs, eines der ältesten und renommiertesten Projekte dieser Art, sollen Chancen und Grenzen der „eingekauften Kritik“ erörtert werden.
Janis El-Bira studierte Philosophie und Geschichtswissenschaften in Berlin und arbeitet seitdem als freier Journalist, Moderator und Publizist zu Theater, Film und Musik. Er schreibt u.a. für Nachtkritik.de und den Berliner Tagesspiegel und ist freier Redakteur beim Deutschlandfunk Kultur, wo er das Theatermagazin „Rang 1“ moderiert. Seit 2016 leitet er während des Theatertreffens unter dem Dach der Berliner Festspiele das Theatertreffen-Blog, das sich seit nunmehr zehn Jahren der Förderung junger Nachwuchsjournalisten widmet.